Die Chorfenster der Martin-Luther-Gedächtniskirche

Die Apsis der Martin-Luther-Gedächtniskirche berherbergt neun Fensternischen, hier - von links nach rechts - mit den Buchstaben A-I bezeichnet. In den 9 Fensternischen sind jeweils vier Glasfenster untereinander verbaut. Die linke Reihe untereinanderliegender Fenster wird hier mit A1-4 bezeichnet, die mittleren Apsisfenster (direkt hinter dem Altar) mit dem Buchstaben E, die rechte Reihe besteht demnach aus den Fenstern I1-4.

Die 4. Reihe (D) und die 6. Reihe (F) von links bestehen komplett aus vier gleichen Fenstern mit den Flügelwesen bzw. Engelsgestalten, wie sie bereits in C2+3 sowie G2+3 abgebildet sind. Diese 4. Reihe von links (D) bzw. von rechts (F) wird um der besseren Übersicht willen hier nicht dargestellt. In der Wirkung entsteht aber für den Betrachter in der Kirche noch stärker der Eindruck, dass das "Geheimnis des Glaubens" vollständig von zwölf Engel(fenster)n umgeben ist. Sie sind alle minimal unterschiedlich gestaltet, Unikate (anders als hier auf der Homepage dargestellt), auch wenn es auf den ersten Blick anders scheint.

Ihre 12-Zahl erinnert an die Stämme Israels bzw. die 12 Jünger Jesu. Die Zahl 12 ragt in Theologie und Glaubensgeschichte bei aller Zahlensymbolik heraus. "Sie ist der Multiplikator von zwei anderen zentralen heiligen Zahlen, nämlich drei und vier", sagt der Theologe Christoph Markschies. Die Drei ist die "göttliche" Zahl. Die göttliche Dreifaltigkeit besteht aus Gott-Vater, Sohn und Heiligem Geist - drei Wesenszüge, die Gott in sich trägt, drei Personen, die auf geheimnisvolle Weise drei Eigenschaften Gottes darstellen. Diese Drei steckt viermal in der Zwölf. Wobei die Vier (als irdische Zahl) alle Himmelsrichtungen und damit die gesamte Erde beschreibt. Wer drei Mal die Vier nimmt, verbindet demnach in symbolischer Weise den Himmel und die Erde, das Göttliche und das Menschliche.

Ein Mausklick auf das jeweilige Bild vergrößert die Darstellung - Fotos © Uli Seegenschmiedt

Heutige Chorfenster der Martin-Luther-Gedächtniskirche

A1
B1
C1
E1 (Mitte)
G1
H1
I1
A2
B2
C2
E2 (Mitte)
G2
H2
I2
A3
B3
C3
E3 (Mitte)
G3
H3
I3
A4
B4
C4
E4 (Mitte)
G4
H4
I4

Deutung der Chorfenster

1. (oberste) Reihe (Neues Testament - Thema Evangelium von der Gnade Gottes) von links nach rechts A1: Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15, 11-32) - B1: Die beiden Schächer am Kreuz (Lukas 23, 39-43) - C1: Ausgang und Eingang, Anfang und Ende* - D1: Engelwesen* - E1: Flügel - F1: Engelwesen* - G1: Ausgang und Eingang, Anfang und Ende* - H1: Die Speisung der Fünftausend (Lukas 9, 10-17)- I1: Der gute Hirte (Johannes 10, 1-15)

2. Reihe (Neues Testament - Thema Nachfolge und Konsequenzen) von links nach rechts: A2: Gleichnis vom vierfachen Acker (Lukas 8, 4-15) - B2: Gleichnis vom hartherzigen Verwalter. Von der Vergebung (Matthäus 18, 21-35) - C2: Engelwesen - D2 Engelwesen* - E2: GOTT VATER - F2: Engelwesen* - G2: Engelwesen - H2: Die Stillung des Sturms (Lukas 8, 22-25) (?) - I2: Jesus in Getsemane (Matthäus 26, 36-46)

3. Reihe (Altes Testament - Thema Bewahrung und Errettung) von links nach rechts: A3: Rut findet in Boas einen Beschützer (Ruth 2, 10-14) - B3 Daniel in der Löwengrube (Daniel 6) - C3: Engelwesen - D3: Engelwesen* - E3: Ausgießung des HEILIGEN GEISTES oder die Verwurzelung im Volk Israel 12+2 Stämme(?) - F3: Engelwesen* - G3: Engelwesen - H3: Noah und das Ende der Sintflut, die Taube bringt einen Ölzweig (Genesis 8, 8-11) - I3: Jonas Unmut über die Gnade Gottes gegenüber Ninive (Jona 4)

4. (unterste) Reihe (gemischt, Bibeltexte und Legenden - Thema Versuchlichkeit bzw. Bedürftigkeit des Menschen) von links nach rechts: A4: Der Verrat des Judas (Lukas 22, 1-6) - B4: Hiob klagt über "Des Menschen Leben" (Hiob 22,10-30) C4: Ausgang und Eingang, Anfang und Ende* - D4: Engelwesen* - E4: CHRISTUS (Michael) besiegt die Schlange Tod (Offenbarung 12, 7-11) - F4: Engelwesen* - G4: Ausgang und Eingang, Anfang und Ende* - H4: Christophorus-Legende - I4: St. Martin-Legende

Die Glasfenster D1-4 und F1-4 sind nicht dargestellt, entsprechen aber in der Gestaltung C2+3 bzw. G2+3.

* zu C1+4 bzw. G1+4: Ein Tor zum Licht als Bild der Auferstehung? Man könnte auch Köpfe (die vier Evangelisten?) erkennen ...

Zur Entstehungsgeschichte

… Pfarrer Schachtschneider bittet Prof. Gottfried von Stockhausen, Esslingen, neue Altarfenster zu entwerfen. Dem international bekannten Künstler wird aufgetragen, das sogenannte Präfationsgebet aus der Abendmahlsliturgie ("Wahrhaft würdig ist es und recht ... Darum loben die Engel deine Herrlichkeit, … Dich preisen die Kräfte des Himmels mit einhelligem Jubel ...") zum Ausgang bildhafter Darstellung zu nehmen. Zunächst weigert sich von Stockhausen, Engel darzustellen. Später reagiert die Gemeinde befremdet.

KMD Schwarz: "Gemeindeglieder und Gemeindekirchenrat freuten sich an den frohen Farben, wussten aber mit den Darstellungen anscheinend nicht viel anzufangen. Die ganz anders gearteten, teilweise biblischen Darstellungen, wie wir sie bis heute in den seitlichen Fenstern der Apsis vor uns haben, fanden ungeteilte Zustimmung." (aus: Chronik der Martin-Luther-Gedächtniskirche)

PS:
Am 29. November 2020 (1. Sonntag im Advent) feierte die Mariendorfer Gemeinde 50 Jahre Chorfenster von Hans Gottfried von Stockhausen mit einem Gottesdienst, den Sie HIER nachlesen können.

Reliefs berühmter Protestanten

In den oberhalb der neun Glasfenster entstehenden Nischen finden sich acht Portrait-Reliefs berühmter Protestanten. Von außen nach innen jeweils zwei Persönlichkeiten der Diakonie, der Kirchenlied-Dichtung, der Kirchenmusik und der Theologie. Von links nach rechts sieht man:

1 Johann Hinrich Wichern (* 21. April 1808 in Hamburg; † 7. April 1881 ebenda) war Theologe, Sozialpädagoge und Gefängnisreformer. Er gründete das Rauhe Haus in Hamburg und gilt als Begründer der Inneren Mission sowie als Erfinder des Adventskranzes.

2 Martin Rinckart (* 24. April 1586 in Eilenburg; † 8. Dezember 1649 ebenda) war Dichter, Theologe und Kirchenmusiker der Barockzeit. Er ist der Schöpfer des Chorals "Nun danket alle Gott."

3 Georg Friedrich Händel (* 5. März 1685 in Halle (Saale); † 14. April 1759 in London) war Komponist des Barocks, der seit 1727 britischer Staatsbürger war. Sein Hauptwerk umfasst 42 Opern und 25 Oratorien – darunter Messiah mit dem weltbekannten Chor „Halleluja“.

4 Philipp Melanchthon (* 16. Februar 1497 in Bretten; † 19. April 1560 in Wittenberg) war neben Martin Luther der wichtigste kirchenpolitische Akteur und Autor der Reformation. Mit der Confessio Augustana verfasste er 1530 eine maßgebliche Bekenntnisschrift der evangelisch-lutherischen Kirche.

5 Martin Luther (* 10. November 1483 in Eisleben, Grafschaft Mansfeld; † 18. Februar 1546 ebenda) war der Urheber der Reformation. Er sah in Gottes Gnadenzusage und der Rechtfertigung durch Jesus Christus die alleinige Grundlage des christlichen Glaubens. Auf dieser Basis wollte er Fehlentwicklungen der Kirche beseitigen und sie in ihrer ursprünglichen evangelischen Gestalt wiederherstellen.

6 Johann Sebastian Bach (*31. März 1685 in Eisenach, † 28. Juli 1750 in Leipzig,) war Komponist des Barocks und zeitweilig Thomaskantor zu Leipzig. Er gilt heute als der größte Komponist der Musikgeschichte. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Matthäus-Passion, Das Wohltemperierte Klavier, die h-Moll-Messe, Die Kunst der Fuge, das Weihnachtsoratorium, die Brandenburgischen Konzerte und viele Kantaten.

7 Paul Gerhardt (*22. März 1607 in Gräfenhainichen; † 6. Juni 1676 in Lübben) war evangelisch-lutherischer Theologe und gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter. "Wie soll ich dich empfangen", "Fröhlich soll mein Herze springen" und "Ich steh an deiner Krippen hier" stehen für die Weihnachtszeit, "O Haupt voll Blut und Wunden" für die Passion. Die Freude an der Natur drückt sich in "Geh aus, mein Herz, und suche Freud" aus, Trostlieder wie "Befiehl du deine Wege" gehören zu den bekanntesten Chorälen. 139 deutsche Liedtexte wurden u. a. von Johann Crüger, Johann Georg Ebeling und Johann Sebastian Bach vertont.

8 Friedrich von Bodelschwingh der Ältere, (* 6. März 1831 in Tecklenburg; † 2. April 1910 in Gadderbaum, heute Bielefeld) war evangelischer Pastor. Er arbeitete in der Inneren Mission. Nach ihm sind die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bielefeld benannt.

Fenster in den Kapellen der Martin-Luther-Gedächtniskirche

Von der Eingangshalle der Martin-Luther-Gedächtniskirche führen links und rechts Türen zu zwei Kapellen, die mit jeweils zwei Buntglasfenstern geschmückt sind. Die Motive sind den Geschichten um den großen König Israels, David, entnommen. Die Erzählungen über ihn erstrecken sich über die beiden Bücher Samuels (1. Samuel 16 bis 2. Samuel 24) sowie den Anfang des 1. Könige-Buchs (bis Kapitel 2, 12). Eine der Bezeichnungen für den Messias - und daher auch für Jesus - war bzw. ist Davidssohn.

In der rechten Kapelle finden in der Regel die Nagelkreuz-Andachten statt.

Der Künstler ist ...

Motive der Kapelle links (Ostseite): Isais Sohn David spielt Harfe am Hof für den verstörten König Saul (1. Samuel 16, 14-24) - Der Hirtenjunge David besiegt den Philister Goliat mit der Steinschleuder (1. Samuel 17, 1-58)

Motive der Kapelle rechts (Westseite): König David trauert um das Kind, das er mit Urias Frau Batseba gezeugt hat (2. Samuel 12, 13-23) - König David holt die Bundeslade nach Jerusalem (2. Samuel 6, 1-5)

Ursprüngliche Chorfenster der Martin-Luther-Gedächtniskirche bis 1943

Die ursprünglichen Buntglasfenster im Chor der Martin-Luther-Gedächtniskirche wurden von Werner Göritz geschaffen und waren bildliche Darstellungen der Aussagen des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Die Fenster wurden bei einem alliierten Fliegerangriff im November 1943 zerstört ⇒ zur Geschichte der Martin-Luther-Gedächtniskirche. Die hier dargestellten Bilder sind Nachzeichnungen der 20 Fenster, die in den mittleren 5 der 9 Fensterreihen eingebaut waren. (zur Bezeichnung der Fenster siehe oben)

Werner Göritz (ausführliche Biographie zum Download HIER, bei Wikipedia) wurde am 3. August 1901 in Seegenfelde in Westpommern geboren, wuchs in Ostpreußen auf, studierte an der Kunstakademie in Königsberg und kam in den zwanziger Jahren nach Berlin. Er hatte eine Anstellung in der Reichsdruckerei, stach dort u.a. Briefmarken und entwarf außerhalb seiner Anstellung Kirchenfenster. 1937 erhielt er den Auftrag, für die Martin-Luther-Gedächtniskirche Fensterentwürfe zum Glaubensbekenntnis zu gestalten. 1943 wurde die Kirche durch Sprengbomben beschädigt und dabei alle Fenster zertrümmert. Da auch Wohnung und Atelier von Werner Göritz 1943 völlig zerstört wurde, konnte nichts von seinen Arbeiten gerettet werden. Viele seiner Themen waren religiös und hatten biblische Hintergründe. Nach Kriegsende hat Werner Göritz das Credo noch einmal in zwanzig Bildern nachgestellt. Auf Veranlassung seiner Witwe wurden sie uns zur Verfügung gestellt.

C1
D1
E1 (Mitte)
F1
G1
C2
D2
E2 (Mitte)
F2
G2
C3
D3
E3 (Mitte)
F3
G3
C4
D4
E4 (Mitte)
F4
G4

Deutung der Anordnung der ursprünglichen Glasfenster

Die Anordnung folgt zwar dem Apostolischen Glaubensbekenntnis (Credo), die Bebilderung ist aber so gewählt, dass vier verschiedene Ebenen bzw. Dimensionen entstehen: Die obere Reihe ist die himmlische Ebene, die gewissermaßen Schöpfung thematisiert. In der zweiten Reihe wird das irdische Leben Jesu dargestellt. Als Mensch, der geboren wird, lebt, leidet und stirbt, ist er unser Menschen-Bruder. Es folgt die eschatologische Ebene dessen, was unsichtbar ist, aber wesentlicher Glaubensinhalt. Das Erlösungsgeschehen macht Jesus für uns zum Christus - zu unserem HERRN. Schließlich bildet die vierte Reihe die ekklesiologische Dimension ab, also die Botschaft der Kirche: woraufhin wir das Leben im Heiligen Geist ausrichten sollen: Gemeinschaft (Glaube) - Vergebung (Liebe) - Auferstehung (Hoffnung).

 

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Die Chorfenster der Dorfkirche Mariendorf

Die drei heutigen Chorfenster in der Apsis der alten Dorfkirche Mariendorf sind jüngeren Datums (zu den historischen Glasfenstern siehe unten). Sie kamen im Zuge der General-Renovierung der Dorfkirche 1956 in die Kirche. Die drei Buntglasfenster hinter der nach Osten ausgerichteten Apsis stellen links und recht die Symbole der vier Evangelisten dar, in der Mitte die Marterwerkzeuge Christi. Künstler war Hermann Kirchberger (* 16. Dezember 1905 in Berlin; † 4. Dezember 1983 in Berlin).

Linkes Chorfenster: oben Matthäus (Menschengestalt) deutet auf die Menschwerdung Jesu - unten Markus (Löwe) deutet auf die Kraft der Auferstehung.

Rechtes Chorfenster: oben Lukas (Stier) deutet auf das Opfer Jesu am Kreuz - unten Johannes (Adler) deutet auf Christi Himmelfahrt.

Die vier Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, die als Autoren der vier biblischen Evangelien gelten, werden in der christlichen Ikonografie seit dem 4. Jahrhundert durch vier geflügelte Symbole dargestellt. Die Kirchenväter erkannten die vier Schriften in den vier Gesichtern jener Wesen wieder, die (nach Ezechiel 1, 4-10 und Offenbarung 4, 6-8) in der unmittelbaren Gegenwart Gottes beheimatet sind.

Mittleres Chorfenster: Mit Leidenswerkzeugen (auch Marter- oder Passionswerkzeuge) werden Foltergeräte oder Objekte bezeichnet, die bei der Passion Jesu Christi eine Rolle spielen. Die Darstellung der Leidenswerkzeuge ist in der christlichen Ikonographie seit dem späten Mittelalter üblich. Die Marterwerkzeuge gelten auch als Siegeszeichen, da Christus das Kreuz in der Auferstehung überwunden hat.

Abgebildet sind: oben die Dornenkrone, die römische Soldaten Jesus zur Verspottung als "König der Juden" aufsetzen (Markus 15, 17); die Lanze, mit der ein römischer Soldat Jesus die Seitenwunde zufügt (Johannes 19,34) bzw. das Rohr, an dem ein Schwamm befestigt ist. Dieser ist nach biblischem Bericht zur Betäubung bzw. Linderung der Schmerzen mit Essig oder Galle getränkt (Markus 15,36 par.; Johannes 19,29). Schließlich sind links unten drei Kreuzigungs-Nägel abgebildet, zwei für die Arme und einer für die Füße Christi.

Historische Chorfenster der Dorfkirche Mariendorf

Seit 1589 bis zur Zerstörung 1945 im 2. Weltkrieg saßen in den nach Süden gehenden Chorfenstern elf gestiftete farbige Rundscheiben mit den Wappen von Bürgermeister, Kämmerer und Ratsherren der Schwesterstädte Berlin-Kölln, die seit 1435 das Patronat hatten. - Quelle: Tempelhof Museum, Alt-Mariendorf 43, 12107 Berlin. Das Tempelhof Museum hat seinen Sitz in einem alten Schulgebäude an der ehemaligen Dorfaue Alt-Mariendorfs (100 Meter von der Dorfkirche entfernt). Hier ist die lohnenswerte historische Daueraustellung „Zwischen Feldern und Fabriken – Orte, Menschen, Geschichten“ zu sehen.

 

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